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Jahresabschluss und Transferpreis-Dokumentation – wo bleibt die Analyse?
Bei den meisten Unternehmen ist das Geschäftsjahr synchron zum Kalenderjahr. Deshalb unterstützen Controllerinnen und Controller die Finanzabteilungen beim Jahresabschluss gerade sehr intensiv. Danach geht es für viele direkt mit der Transferpreisdokumentation zur Unterstützung der Steuerabteilung weiter und anschließend kann auch schon fast mit der Planung für das nächste Geschäftsjahr begonnen werden…
Was im ersten Moment vielleicht ein wenig überspitzt klingen mag, trifft jedoch den Kern so mancher Zeitaufteilung der Kolleginnen und Kollegen. Ergänzen wir es noch um Monats-/Quartalsabschlüsse und Forecasts, wird schnell klar, dass die zeitlichen Ressourcen damit schon ausgelastet sind. Hinzu kommen die vielen bitter notwendigen Sonderanalysen. Die Verwerfungen in den Beschaffungs- und Absatzmärkten müssen nach Corona und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine niemandem mehr erläutert werden. Dabei wäre es doch wichtig vorher den Jahresabschluss zu analysieren, um als Entscheider relevante Erkenntnisse aus den Zahlen zu ziehen oder als Controller das Management zu beraten.
Aber wo bleibt noch Zeit für die Analyse des Jahresabschlusses?
Gemeint ist dabei nicht nur das eigene Zahlenwerk, sondern vor allem auch das von Wettbewerbern, ausgewählten Großkunden und – wohl am wichtigsten – von Key-Suppliern. Die Krise auf der Beschaffungsseite war zunächst durch Corona (z.B. aufgrund gesperrter Häfen und Fabriken) und anschließend durch den extremen Kostenanstieg dominiert. Die Kombination aus langen wirtschaftlichen Durststrecken und Kostensteigerungen ist durchaus ein explosives Gemisch. Hinzu kommt, dass die gesetzlichen Maßnahmen zur Vermeidung von coronabedingten Insolvenzen (vgl. FachNews Beitrag „Business Partnering in Zeiten drohender Insolvenzen“ vom 21.02.2021) längst ausgelaufen sind. Also mehren sich die Insolvenzen – betrachtet zum Vorjahreszeitraum – schon allein deshalb, weil es einen Nachholeffekt geben mag. Trotzdem sprechen viele Experten vom „Insolvenz-Paradoxon“: es müsste angesichts der wirtschaftlichen Situation mehr Pleiten geben, als tatsächlich eintreten. Da schließt sich der Autor selbst mit ein. „Business Partnering in Zeiten drohender Insolvenzen“ hieß eine weitere FachNews der vierteiligen Serie im Februar 2021. Die Aussage kann für 2023 wiederholt werden, auch wenn sich die Relationen (Anzahl Pleiten, durchschnittliche Schadenshöhe, Anteil Großpleiten) wieder einmal – teils deutlich – verschoben haben, auch wenn die Zahlen noch unvollständig sind. Vielleicht rollt die Welle aber auch schon heimlich an. Schließlich muss man bedenken, dass ein Insolvenzantrag nicht sofort in der Statistik auftaucht. Erst nach rund 3 Monaten, d.h. nach Entscheidung des Insolvenzgerichts, werden sie sichtbar. Zumindest gibt es mittlerweile eine zentrale Stelle für Insolvenzbekanntmachungen in Deutschland, wenn man ein konkretes Unternehmen suchen möchte: https://justiz.de/onlinedienste/insolvenzbekanntmachungen/index.php
Es lohnt sich also zu erfahren, wie man Abschlüsse gezielt analysiert und hinter die Zahlen blickt. Denn hierbei erhalten Sie wertvolle Erkenntnisse, die Ihnen helfen Entscheidungen vorzubereiten oder zu treffen.
Der Ausblick für die deutsche Wirtschaft fällt schwer
So kommt Christiane von Berg, Volkswirtin bei COFACE, in ihrem Ausblick auf 2023 zu folgendem Schlusswort: „In diesem Sinne passt hierzu wohl Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes am besten: ‚Et hätt noch emmer joot jejange!‘ “ 1. So sehr ich mich als Einwohner Kölns dieser Aussage anschließen möchte, so sehr gilt ebenfalls die Redensart „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Dafür sprechen viele Gründe, wie z.B. über lange Zeit geschwächte Unternehmen, hohe Unsicherheiten aus dem politischen Umfeld, hohe Inflation und steigende Zinsen sind in vielen Ländern der Erde weit schlechter zu verkraften als in Deutschland. Die Länderrisiken werden von vielen Analysten düsterer bewertet als noch vor einem Jahr. So warnte BlackRock Anfang des Monats: “Markets are being rocked by the biggest macro storm in decades, and investors need to brace themselves for volatility and persistent inflation in 2023” 2. Vielleicht löst sich das Paradoxon also doch noch auf. Sondersituationen halten schließlich nicht ewig an. Nach 10 Jahren historisch niedriger Zinsen erleben wir das gerade sehr eindrücklich.
Da könnte man beispielsweise konkret fragen, wie Ihre Lieferanten den Zinsanstieg oder die Energiekosten aushalten. Ist ein wichtiger Lieferant ein Unsicherheitsfaktor für Ihre Lieferkette oder droht er sogar auszufallen? Das wäre eine wichtige Information für den Einkauf, damit rechtzeitig Alternativen geprüft werden können. Einen Lieferanten ‚einzuphasen‘ ist schließlich ein aufwändiger Vorgang. Schlimmer als die Kosten dürfte für viele Unternehmen jedoch der zeitliche Aspekt mit allen Folge-Effekten sein. Nach dem Jahresabschluss, wenn die Abschlüsse der Lieferanten vorliegen, wäre ein guter Zeitpunkt, um gemeinsam mit dem Einkauf abzustimmen, welche Lieferanten näher betrachtet werden sollten.
Mein Tipp
Zum Thema Jahresabschlussanalyse empfehleich Ihnen unser Fachseminar Jahresabschlussanalyse für Controller am 14. und 15. Juni 2023 in Hamburg. Merken Sie sich den Termin gleich einmal vor und bringen Sie gerne auch Ihre Einkaufsleitung mit. Ich würde mich freuen, wenn wir uns in Hamburg zu sehen.
Sie haben neben der Finanzanalyse auch die Finanz- und Investitionsplanung im Blick? Dann ist die Stufe II – Financial & Management Accounting oder das Fachseminar Investitionscontrolling sicherlich interessant für Sie.
Wenn Sie sich als nächstes der Transferpreis-Dokumentation zuwenden, machen Sie doch an unserer Umfrage zum Thema Verrechnungspreise mit. Nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit und gewinnen Sie mit etwas Glück eines von 20 Exemplaren des Praktiker-Handbuchs „Verrechnungspreise – Praxisleitfaden für Controller und Steuerexperten“ im Wert von je 149,95€. Hier geht’s zur Umfrage.
Autor: Guido Kleinhietpaß, Partner und Trainer der CA controller akademie