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Verrechnungspreise: Das sind die aktuellen Themen
Wegen Corona fand die zweite Fachtagung der CA controller akademie zum Thema Verrechnungspreise mit einem Jahr Verspätung statt. Das war Licht und Schatten zugleich. Einerseits tat die Verschiebung natürlich weh. Andererseits hatten sich dadurch viele Themen „angestaut“. Entsprechend intensiv war bereits der Vortrag von Jörg Hanken (PwC), der eine Übersicht über zahlreiche Neuerungen bot. Von DEMPE über Jahresendanpassungen bis hin zu Konzernfinanzierung und Verlustunternehmen war einiges dabei.
Dies war aber keineswegs eine Rückschau, sondern es ging auch um Themen, die erst in der nahen Zukunft umzusetzen sind.
Entsprechend groß war das Interesse der Teilnehmer. So gab es zahlreiche Fragen zu Pillar 1 / 2, meldepflichtigen Gestaltungen, dem kommenden (public) CbCR, den neuen Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise und zum Themenkreis der Konzernfinanzierung.
Dies war der nahtlose Übergang zu Michael Bär vom Bayerischen Landesamt für Steuern. Den Einstieg machten auch hier die jüngsten gesetzlichen Änderungen wie das AbzStEntModG, das ATADUmsG und das StAbwG. Mit den dadurch neu gefassten Vorschriften zum §1 AStG (u.a. DEMPE, nahestehende Personen), den neuen Vorschriften zur ‚Hinzurechnungsbesteuerung‘ oder den Konsequenzen für Geschäfte in unkooperativen Drittstaaten (z.B. Abzugsverbot von Aufwendungen) wurden die sensiblen Themen aus Sicht der Finanzverwaltung beleuchtet. Hinzu kamen die seit der letzten Fachtagung neu herausgekommenen Verwaltungsgrundsätze 2020 und Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom Juli 2021, aus denen u.a. die unmittelbare Anwendung der OECD-Grundsätze und der OECD-VP-Leitlinien 2017 folgt. Ebenso spannend war es, die Sicht der Finanzverwaltung auf die Dokumentation zu hören sowie von aktuellen Prüfungsschwerpunkten zu erfahren.
Danach ging es in die Softwarethemen.
Angesichts des hohen Aufwands in den Unternehmen hatten sich die Teilnehmer der letzten Fachtagung dieses Thema besonders gewünscht. Deshalb gab es nicht nur zwei Vorträge, sondern auch noch zwei parallele Workshops.
Angelika Hoffart (Merck Group) und Cedric Stingelin (OPTRAVIS) begannen. Sie zeigten in ihrem Praxisbericht, wie die Automatisation von VP-Prozessen nicht nur die Effizienz, sondern auch die Qualität und Tax Compliance erhöht. Herausforderungen wie z.B. fragmentierte IT-Tools mit nur wenig automatisierten Workflows kennen wohl viele Unternehmen. Folgerichtig gab es neben konzeptionellen Anforderungen (z. B. IC Business Modell und Zollthemen) auch die Themen Organisation (z.B. RACI-Matrix), IT-System und Daten-Fragen zu klären. Dies waren beispielsweise Fragen zum Aufbau nach Business oder Ländern, Harmonisierung vs. individuelle Lösungen oder der erforderliche Granularitätslevel. Der beispielhafte Vergleich von Standard IC Relation zu mehrstufigen Leistungsketten inkl. Distribution Hubs verdeutlichte die zu bewältigenden Herausforderungen. Der Schlüssel für den Erfolg lag wie häufig bei solchen Projekten in der Einbeziehung der zahlreichen Stakeholder.
Ähnlich war der Fokus von André Jaekel, der eine weit entwickelte VBA-Programmierungslösung mit dem Schwerpunkt Konzernumlagen vorstellte.
Als klassische „Low-Code“-Anwendung ist sie vor allem für Unternehmen gedacht, die weder eine ERP-Integration noch eine High-End Transferpreis-Software favorisieren. Erwartungsgemäß bietet die vom übrigen IT-System unabhängige VBA-Programmierung hohe individuelle Flexibilität für den Anwender und dennoch ermöglicht sie eine hocheffiziente Automatisierung von Konzernumlagen. Daneben beinhaltet sie verschiedene weitere Features wie z. B. die Überprüfung der Aktualität von Stammdaten, Anzeigen von Fehlerlisten, Reports oder Buchungsjournalen. Eine erste Programmeinführung, bei der Cockpit und Schaltflächen, Importfunktionen und die zentrale Datenverwaltung gezeigt wurden, rundeten den Vortrag ab.
Begleitet von Jörg Hanken und Guido Kleinhietpaß wurde in den beiden dazugehörigen Workshops intensiv über die vorgestellte Lösung diskutiert. Meist standen dabei konkrete firmenspezifische Anwendungsfragen im Vordergrund. Das große Interesse zeigte sich nicht nur in der regen Beteiligung, sondern auch in der langen Dauer der beiden Workshop-Sessions.
Am nächsten Morgen fassten Jörg Hanken und Guido Kleinhietpaß die Diskussionen vom Vortag zusammen.
So wurde auf die auf den ersten Blick widersprüchliche Darstellung zweier Vorträge zum neuen BMF-Schreiben vom Juli Bezug genommen. In dem Schreiben befindet sich neu eine Regelung zur verpflichtenden Korrektur von Verrechnungspreisen sofern diese außerhalb der Bandbreite liegen. Es wurde dabei noch einmal klar, welch hohe Bedeutung die unterjährige Ermittlung der Abweichungen und Verrechnungspreisanpassungen hat. Während für die Unternehmen eine Anpassungspflicht besteht, wird in der Betriebsprüfung nur noch einseitig, d.h. pro-fiskalisch geprüft. Hier verhindert §1 AStG eine Korrektur zu Gunsten des Steuerpflichtigen. Die neue, auf den ersten Blick aufwändigere Erwartung der Finanzbehörden zu unterjährigen Korrekturen ist also im Unternehmensinteresse.
Ismail Cetin von der Brückner Group startete in das Hauptprogramm des zweiten Tages.
Als Projektleiter zur Neugestaltung des Verrechnungspreismanagements in der mittelständischen Gruppe berichtete er vom zweijährigen Projektverlauf und seinen Lessons learned. Einstieg war eine Dokumentenanalyse mit einem ‚Health Check‘. Allein diese Phase dauerte 6 Monate, war aber für das Verständnis der Geschäftsmodelle und damit für den Projekterfolg entscheidend.
Weitere Themen waren die Transferpreis-Richtlinie und künftiges Vertragsmanagement inkl. IT-Unterstützung, Segmentierung und Dokumentation sowie die operationale Umsetzung. Dabei steckte der ‚Teufel im Detail‘. Auch bei einem scheinbar einfachen C+ müssen Kostenbasis und Zuschlag (allein) auf die eigene Wertschöpfung geklärt werden. Insgesamt wurden in dem Projekt Verbesserungen bzgl. Transparenz (z. B. Kostenallokation), Steuerung (z. B. EBIT-Steuerung), Compliance (z. B. Vertragstemplates) und Effizienz (z. B. Schaffung Transferpreis-Organisation) erreicht.
Im Anschluss behandelte der Praxisbericht von Udo Kraus (Hansgrohe) und Björn Stumpf (Boehringer Ingelheim) das Thema Betriebsprüfungen sowie die Streitbeilegung durch Joint Audits und Verständigungsverfahren. Der Erfolg nachträglicher Korrekturen, so die Erfahrung von Herrn Kraus, ist sehr unterschiedlich, aber positiv: Bis zu 100% der ursprünglichen Korrekturen konnten schon beseitigt werden. Obwohl sowohl beim Verständigungsverfahren als auch beim EU-Schiedsverfahren bei der deutschen Finanzverwaltung (BZSt) keine Gebühren anfallen, sind beides sehr zeitintensive Verfahren, die nur bei hohen Steuernachforderungen lohnen. Außerdem erfolgt keine Korrektur bei Zinsen und Strafen und das Ergebnis erzeugt keine Bindung für künftige Betriebsprüfungen.
Weiter ging es mit Joint Tax Audits. Der größte Unterschied gegenüber den zuvor vorgestellten Verfahren, so Herr Stumpf, ist die gemeinsame Sachverhaltsklärung. Sie erfolgt in einem zeitlich sehr knappen Rahmen. Das ist mit vielen Beteiligten schwer zu organisieren, aber deutlich weniger zeitintensiv als bei APA / MAP. Durch den kurzen Zeitraum ist der Prozess aber meist auch innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen – im Gegensatz zu einer Standard-Betriebsprüfung, bei der sich die Klärung oft über mehrere Jahre erstreckt. Allerdings besteht kein Antragsrecht des Unternehmens auf ein Joint Audit.
Danach blickte Stephan Lynen (Clariant) aus CFO-Sicht auf das Thema.
Er plädierte dafür, den steuerlichen Transferpreis aus der Steuerung des Konzerns herauszunehmen. Das lokale EBIT, welches auf den Transferpreisen beruht, ist nicht die verwendete Steuerungsgröße. Das Geschäft wird auf aggregierten Margen bewertet. Für die Steuerung ist aber nicht nur die Compliance zu beachten. Es gilt auch, die Komplexität aus der Steuerung herauszunehmen. Beispielsweise heißt das, nicht wertschöpfende interne Verhandlungen über den Verrechnungspreis zu beenden. In einer Welt zunehmender Volatilität ist es auch wichtig, Informationen wie z. B. sich ändernde Rohstoffpreise schnellstmöglich weiterzugeben. Bei einer mehrstufigen Wertschöpfungskette würde die Information über den Transferpreis eine Vertriebsgesellschaft, die nach steuerlicher Resale minus-Methode gesteuert wird, aber erst sehr spät erreichen. Eine Kalkulation hingegen, die auf Basis der künftig erwarteten Rohstoffpreise erstellt wird, ist eine schnelle Möglichkeit, die Vertriebsgesellschaften zu den nötigen Verkaufspreisanpassungen zu befähigen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion waren mit Michael Bär, Jörg Hanken, Stephan Lynen und Björn Stumpf Referenten beider Tage vertreten.
Sofortige Einigkeit bestand bei der Aussage, das Verrechnungspreismanagement (Modell, Prozesse, Dokumentation, etc.) zu zentralisieren. Dies, so die Erfahrung von Stephan Lynen, erhöht die Effizienz. Außerdem, so Björn Stumpf, erleichtert es die Verteidigung im Rahmen einer Prüfung. Aber es verhindert nicht die Diskussionen bei einem der beiden beteiligten Transaktionspartner. Jörg Hanken wies darauf hin, dass stringente Prozesse jedoch auch ein wichtiger Ansatzpunkt sind, den Sachverhalt gemäß den steuerlichen Regelungen zu gestalten und ihn nicht nur nachträglich in einer Betriebsprüfung zu verteidigen. Dies war das Stichwort für Michael Bär, der darauf hinwies, dass aus Sicht der Prüfer manche Dokumentationen offensichtlich Diskrepanzen zum Ist-Sachverhalt der Unternehmen aufweisen. Hier wäre es besser, den Schiefstand offen anzusprechen und die Maßnahmen, die zur Behebung ergriffen wurden, zu nennen.
Daraus folgte eine Diskussion über den Zeitbedarf, einen solchen Prozess stabil zu etablieren, die erforderliche Personalkapazität und die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Länder. Ebenfalls diskutiert wurde, ob das Geschäftsmodell eines zentralen Entrepreneurs mit vielen Satelliten-Unternehmen für die Routinefunktionen zukunftsfähig ist. Stichworte waren u.a. wechselnde und mobile Know-how-Träger oder der Trend zur Verlagerung von Bürofunktionen (auch ins Home Office). Aber letztlich gingen alle Anwesenden davon aus, dass ein solches Modell weiterhin für viele Branchen ein vernünftiger Ansatz sei.
Mit dieser spannenden Diskussion ging wieder eine sehr interessante Fachtagung zu Ende. Wir danken allen Referentinnen und Referenten für ihre Beiträge und freuen uns, dass die Veranstaltung auch beim Publikum so gut ankam. Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die rege Teilnahme an den Workshops, den VOXR-Umfragen und nicht zuletzt für die zahlreichen Fragen im Chat. Wir freuen uns auf die nächste Verrechnungspreis-Fachtagung in zwei Jahren.
Aber auch kurzfristig können Sie sich umfangreich bei uns zum Thema Verrechnungspreise informieren, z.B. beim Live Online Seminar „Verrechnungspreise“ vom 21. bis 23. März 2022 mit Jörg Hanken und Guido Kleinhietpaß.